HR3 Clubnight Memories

Lang, lang ist´s her! Backstage Erinnerungen an die HR3 Clubnight im Jahre 1995:

Kalt war es an diesem Dezemberabend 1995. Mein Bruder hatte Startprobleme mit seinem roten 2er Golf. Doch einmal angesprungen lief dieses Auto dann doch recht zuverlässig. Los ging es. Ziel war der alterwürdige Hessische Rundfunk in der Frankfurter Bertramstrasse. Dort, vor dem Haupteingang des Rundbaus, wartete bereits ein kleines Grüppchen illustrer Leute die so gar nicht ins Gesamtbild passten. Diese Leute sahen so ganz anders aus als die Leute die sonst Samstag Abends vor dem Haupteingang standen und auf Einlass in den Sendesaal warteten.An diesem Abend war auch kein öffentliches Konzert oder eine andere Veranstaltung. Die Leute passten einfach nicht. Was war da los? Natürlich wusste ich sofort wer das wohl sein könnte.

Das war sie also. Die so genannte Studio Posse von der man so oft schon oft gehört hat. Die Studioposse. Die Leute die also das Radio Studio in den kleinsten Club der Welt verwandelten. Und ich durfte heute Abend Teil davon sein. Mein Bruder versprach mir mit dem Auto pünktlich um 0:10 wieder vor dem Haupteingang zu sein um mich wieder einzusammeln.

Ehe ich mich versah zückte mein Kumpel seine blaue hr Mitarbeiter Karte und der grimmig blickende Pförtner mit dem leicht irritierten Blick nickte wohlwollend.Vorbei an der verwirrten Crowd führte der Weg vorbei am Onkel Otto Shop, direkt in die legendäre Goldhalle. Sie sah genauso aus wie auf den Fernsehbildern die bereits in den 60er Jahren produziert wurden. Die rechte Treppe hinauf, durch Türen die aussahen als ob sie schon seit 40 Jahren unverändert ihren Dienst verrichten, hinein in den langen Flur. Das Ambiente passte immer noch nicht.Hier in diesem morbiden Bau soll das Zentrum elektronischer Clubmusik im Radio sein?

Durch den langen Gang wandelnd erreichten wir eine Tür die trotz Verbotsschild weit offen stand und mit einem Holzkeil wohl auch dauerhaft offen stehen sollte. „Sendekomplex R HF – hr 4 Produktion Sprechstudio“ stand auf dem Schild das neben der Tür hing.“Wie eine Behörde“ dachte ich mir. Für jeden Raum ein Schild worauf zu erfahren ist was drinnen ist. Doch halt, hr 4?Sind wir nicht völlig falsch fragte ich meinen Kumpel? Nene schon richtig. Los rein hier. Und da war es, das hr3 Clubnight Studio. Ein kleiner Raum, mit dem Charme eines Kellers bzw. einer Amtsstube.In der Mitte ein runder Tisch.Auf der Linken Seite ein abenteuerliche Konstruktion aus 2 rosafarbenen, tischartigen Elementen. Davor waren 4 Klein & Hummel Monitor Lautsprecher aufgebaut. Es roch nach warmer Elektronik und einem undefinierbaren Geruch der mich ein bisschen an meinen Dachboden erinnerte wo Jahrzehnte alte Hölzer des Bodenbelages vor sich hin gasen.

Armdicke Kabel mit monströsen Steckverbindungen führten aus diesem Rosa Tisch in ein paar Steckleisten in der Wand. Ein Kabel Mikrofon auf einem wackeligen Ständer stand davor. Mein Kumpel erklärte mir das das Studio ja eigentlich wirklich ein hr4Sprechstudio sei und die diese Rosa Konstrukte der „Discplatz“ sei. Alles machte einen sehr improvisierten Eindruck. Diese Konstrukte hatte ich allerdings schon einmal auf dem Hessentag gesehen.“Die sind Mobil und können überall hin gerollt werden“, sagte mein Kumpel. Ich war verwirrt. Das Clubnightstudio ist auf Rollen? „Ah dachte ich, wie Prak-TISCH. Die Legende vom Tapeziertisch auf dem 2 Plattenspieler standen war also nicht gänzlich frei erfunden.

Die große Gorgy TIME Studio Uhr verkündete das wir noch 20 Minuten auf den Beginn der Clubnight warten sollten.Auf den Monitor Boxen lag das Signal von hr3 bereits an. Susanne Fröhlich und ihr Ausgehspiel „Wer mit wem“ war drei Studios weiter noch auf Sendung. Lucky LOVE von Ace of Base lag gerade in den letzten Tönen als Susanne Fröhlich den nächsten Hörer in der Leitung hatte der heute Abend noch unbedingt eine Frau übers Radio finden wollte mit der er ausgehen kann. Ich mach mal leiser, meinte mein Kumpel und steuerte zielsicher einen von vielen Drehreglern auf dem Rodec Mischpult an. Susanne Fröhlich und ihre omnipräsente Stimme verstummte.Totenstill.Doch von weitem hörten wir aufgeregtes Gerede und näher kommende Schritte.

Da waren sie wieder. Die Leute vom Haupteingang.Die Studio Posse.Und mitten drin Sven Väth. Standesgemäß hatte er einen Träger für die 2 schweren Plattenkoffer im Gefolge. Einer hatte außerdem noch einen Sixpack Sekt und Bier sowie Plastikbecher für alle dabei. Auch an Aschenbecher hatte man gedacht. Alles wurde auf dem großen Runden Tisch platziert und kurz vor Sendebeginn knallten schon die ersten Sektkorken an die Schallisolierte Decke. Sven ließ seine Plattenkoffer direkt hinter dem mobilen Studio platzieren.Ein Typ mit einem Eye Q Records Shirt setzte sich daneben. Wie eine Art Bewacher wirkte er auf mich. Behüter des Grahls.“OK LEUTE ICH MACHE GLEICH NEN TAKE, WER BOCK HAT KANN EIN BISSCHEN SHOUTEN“, sagte Sven kurz vor dem Ende der 21:00 Uhr Nachrichten.YEHA brüllte einer spitz. „Auf geht’s“, ein anderer. Auf geht’s, ON geht’s: Die hr3 Clubnight geht auf Sendung. Routine für Sven, Premiere für mich, durfte ich doch zum ersten mal auch dabei sein, wenn die legendärste Techno Radiosendung on air ging. Die Monitor Lautsprecher drehte Sven mit dem doppelten Wert der Grundeinstellung wieder auf und als er das Mic aufmachte gab es wieder diese berühmte Rückkopplung die ich in vielen Sendungen vorher auch schon vernommen habe.Das war immer ein Zeichen das die Monitore LAAUT eingestellt waren.

Kaum losgelegt wollten auch schon die ersten Hörer den Namen der Platte wissen.Das Hörertelefon, das unter 069155691 geschaltet war stand direkt auf einem kleinen Holztisch vor dem mobilen Studioequipment. Ein hässlicher Grüner 80er Jahre Apparat der nur leuchtete wenn ein Anruf einging. Sporadisch wurde mal abgehoben und den Leuten gesagt was gerade gespielt wird. Lange bevor Playlisten im Internet abrufbar waren, war das Grüne Telefon also die erste Adresse um zu erfahren welche Platte gerade gespielt wurde.

Und während Sven die Hits der Saison spielte, machten wir uns weiter über die improvisierte Getränke Bar auf dem „Sprechertisch“ her. Mittlerweile wich der Muff aus warmer Elektronik und verrottetem Holz einer Mischung aus Zigarettenqualm und Alkohol gepaart mit Red Bull. Eigentlich galt im Studio strengstes Rauchverbot.Und außerdem hätte laut interner hr Bestimmung natürlich ein Feuerwehrmann anwesend sein müssen. Und überhaupt: Auch die Tür hätte geschlossen sein müssen während des Studio Betriebes.Die Getränke niemals in der Nähe empfindlicher Studiotechnik deponiert werden dürfen.

Nach drei Stunden exersiver Tanzmarathons, viel Fachsimpelei und lustigen Anekdoten und Sprüchen von Sven musste auch diese tolle Studio Party ein Ende finden. Die letzte Platte lag schon auf dem Plattenteller als Sven wieder das Mikrophon aufmachte und sich verabschiedete. Die Studio Uhr zeigte an das noch 4 Minuten Spielzeit zur Verfügung standen. Der diensthabende Hörfunktechniker aus dem Nebenstudio schaute kurz herein und knurrte: „EINER MUSS NOCH AUFRÄUMEN“….YEHA, schrie einer aus der Crowd und Sven ließ seine letze Platte bis zum Schluß spielen. Der Schluss bedeutete zur damaligen Zeit, um 0:00 Uhr die Umschaltung auf die Nachprogramme der ARD. Heute Nacht war es wiedermal der SÜDWESTFUNK BADEN BADEN. Mit sonorer Stimme hörte man also auf der gleichen Frequenz auf der eben noch die heißesten Clubsounds liefen, den zum morbiden Studio Ambiente passenden SPRECHER der „ARD Popnacht“ die null Uhr Nachrichten verkünden. „Die RUNDFUNKANSTALT“ hatte also wieder das Zepter übernommen.

Irgendwer räumte übrigens tatsächlich noch auf und übergab uns die Mülltüten.

Text: Hagen Blatt